Ausstellung 13

13. Ausstellung KUNSTSAMMLUNG SPO

„Eiderstedt - achtern Diek

Als wir das Thema zu diesen beiden Ausstellungen absprachen hat die Galerie Tobien mit „Norddeutsche Realisten“ nicht nur den Blick auf deren Malweise, sondern auch den Blick auf unsere norddeutsche Landschaft gelenkt. 

 

Wir sind spezieller und schauen auf unsere Landschaft Eiderstedt und dort „achtern Diek“, also nicht auf das Vorland, die Strände, das Watt und das Meer. 

 

In der 13. Ausstellung der Kunstsammlung in St. Peter-Ording wird die Frage nach der Identität, die Frage nach dem, was Heimat, was „Zuhause“ ausmacht und ausmachen kann, gestellt:

 

Uwe Herms (1937-2023) schrieb 1996 in seinem Buch „Im Land

zwischen den Meeren“ über Eiderstedt:

„Wenn ich ehrlich sein soll:

Zu sehen gibt es vor meiner Haustür beinahe gar nichts.

Die Gegend ist nämlich platt wie ein Topfboden, allerdings mit ochsenaugenpfannenartigen Eintiefungen. Sie heißen bei uns „Köge“ und

sind von altgewordenen Deichen gerahmt.

 

Die Welt darüber ist hier hauptsächlich Himmel, also Luft bis Sturm

und Dunst bis Wolken. Alle sensationellen Anblicke wie windschiefe

Bäume, hingehäufelte Gehöfte, Kirch- und Leuchtturmspitzen sind

weit weg und ziemlich dünn gesät. 

Ringsum riecht es nach Meer, aber das sehe ich nicht.“

 

 

Uwe Herms, Im Land zwischen den Meeren, Reisen in das unbekannte Schleswig-Holstein          Rasch und Röhring Verlag, 1996

 

 

Ist das so?

 

Erst spät nach dem ersten Weltkrieg entdeckten Maler unser St. Peter-Ording. Ab 1921 kommen Friedrich Karl Gotsch mit seiner damaligen Malerkollegin Hilde Goldschmidt und Malerkollegen Hans Meyboden (alle drei Meisterschüler von Oskar Kokoschka) für kürzere Aufenthalte nach St. Peter. 

 

Von 1923 stammen die Aquarelle (Drucke), die wir von Friedrich Karl Gotsch in der Sammlung haben, auf denen die Dünen, der noch junge Wald und wenigen Häuser der Dörfer St. Peter und Ording zu sehen sind. Von 1926 ist das einprägsame Ölbild von seiner Malerkollegin und damaligen Gefährtin Hilde Goldschmidt, dass „Die große Düne“ und St. Peter zeigt.

 

Eiderstedter Motive - das ist die „normale kleine Kate“, der abseits gelegene Haubarg in der Ferne, die Fennen, die Sielzüge, der Sandweg, die kleinen Kiefern, die Heide, die Binnendünen, die Teile unserer weiten, dünn besiedelten Landschaft sind. Das ist das Besondere unserer Landschaft, einer Küstenlandschaft, die zu großen Teilen unter dem Meeresspiegel liegt, die mühsam über Jahrhunderte hinweg gesichert, eingedeicht wurde. Es ist aber auch eine Landschaft im Sinne einer Verwaltungseinheit, die sich immer wieder einigte und bereit war, Geld zu zahlen, um sich ihre Privilegien zu erhalten. Die großen Höfe, der Handel und die Kirche - eigene Propstei - bestimmten das Leben, nicht Adlige.

Dünen, Vorland, Sandstrand, Meer, der weite Horizont mit dem besonderen Licht der Küste waren bevorzugten Malmotive. Wer länger verweilte, wandte sich wohl auch der Landschaft und den Menschen zu. 

Eiderstedt wurde kulturell und ökonomisch von den einwandernden Friesen beeinflusst. So wurde das Bauernhaus der Westfriesen hier zum großen Haubarg geformt, der die Besucher staunen lässt. Das war und ist auch heute noch ein typisches Malmotiv – Eiderstedt eben. 

 

Das Vieh auf den Fennen, oft „Pensionsvieh“, also nicht eigenes Vieh, war durch Gräben und Sielzüge gut zu halten und wuchs in kurzer Zeit zu eindrucksvollen und geldbringenden Tieren heran. 

 

Eindrucksvoll malt und beschreibt Dieter Staacken die großen Tiere, die gerne erhöht auf dem Aushub der Gräben und Sielzüge, am Graben selber mit dem vom Wind gefetzten Reet stehen, friedlich zurückglotzen und mit ihrer Kraft nicht zu unterschätzen sind. Der Kälte, dem Wind und Regen drehen sie gelassen den Rücken zu, Tiere in einer Marschlandschaft. 

 

„IS SUN OSS EERST MOL AN’T LURN

KANN DAT’N GANZE TIETLANG DUERN

BESÜNNERS SO AS HIER IN’T GRAS

OP DAT BILD ÜNNER GLAS“

2019 DIETER STAACKEN

 

Ist so ein Ochse erst mal am Lauern,

kann das ne ganze zeitlang dauern.

Besonders so wie hier im Gras

auf dem Bild unter Glas.

2019 Dieter Staacken

 

Man merkt sofort: Hier malt und erzählt einer, der sein Eiderstedt liebt. Pflanzen und Tieren weist er ihren Platz in seinem Kosmos Eiderstedt zu. Einsame, große Haubarge, windgebeugte Büsche und Bäume, sturmgeprüftes Reet, entwässernde Gräben und Sielzüge, die für den Deicherhalt so wichtigen Schafe, die bis zum Herbst heranwachsenden starken Ochsen, der weite Himmel, ...

Dieter Staacken ist nicht durch Zufall zum Ehrenbürger seiner Stadt Garding ernannt oder zum Träger des Hans Momsen Ringes des Kreises Nordfriesland auserwählt worden.

Hier ist einer, der von innen wie von außen auf seine Heimat schaut, mal berührt, mal distanziert von seinem Eiderstedt mit Bild und Wort erzählt.

 

Als wir im Haus Peters die beiden großen Bilder sahen, wussten wir sofort, dass sie in die Kunstsammlung gehören und wo wir sie in dieser Ausstellung hängen würden.

 

Erich Duggen brauchen wir nicht mehr vorstellen. Erstaunlich ist jedoch, dass wir auch hier wieder vier Ölbilder von ihm hängen konnten, die das damalige St. Peteraner Dorfleben, das Melken auf der Weide, einen entfernt liegenden Haubarg im Winter expressiv und den Blick aus dem Fenster auf die Nachbarhäuser mit warmen Farben ausdrucksstark zeigen. Erich Duggen wurde in St. Peter sesshaft und konnte auch während des Krieges in längeren Zeitabschnitten hier malen.

Zur Landschaft Eiderstedt gehört auch ihre Geschichte, von der wir nur die nach dem zweiten Weltkrieg erwähnen, als Eiderstedt für kurze Zeit ein einziges, großes Gefangenenlager, dann auch Zufluchtsort für Geflüchtete und Vertriebene wurde. Hier erinnern uns die einfühlsamen Kinderportraits von Ingeborg Danielsen an die schwere Zeit der Nachkriegsjahre, als Kriegswaisenkinder nach St. Peter kamen und hier mühsam „aufgepäppelt“ wurden und Vertrauen, Zuversicht und Freude in einer rauen und doch schönen Landschaft erfahren durften.

 

in den 1980iger Jahren „stichelte“ der Aktionskünstler Hein Hoop schon seine spezielle Sicht auf die Haubarge und Katen Eiderstedts in die Kupferplatten. 

 

Weil er sie anders, auch mit menschlichen Zügen, sah, verblüffte das manche Betrachter, brachte sie zum Lachen oder Nachdenken und schon waren seine Radierungen verkauft.

 

Drei Radierungen als Leihgabe des Museums der Landschaft Eiderstedt und eine aus unserer Sammlung sind zu sehen.

 

Künstler/innen aus Hamburg entdeckten Eiderstedt für sich und blieben im Sommer oder ganz hier. 

 

So hat die in Hamburg und Eiderstedt lebende und malende Künstlerin Ursula Schultz-Spenner „Vor ihrer Haustür“ im Wasserkoog ihre Landschaft mit Sielzug „Blick auf Wasserkoog“ und den weitergehenden Blick auf „Wasserkoog-Norderdeich“, mit wunderbar sommerhellen Farben expressiv eingefangen. Zum „Haubarg Stufhusen“ gehören natürlich die anrührenden, liebevoll gemalten, springlebendigen „Schafe Westerhever“.

 

Ebenso spiegelt Max Höppner die Eiderstedter Landschaft in seinen Aquarellen wider, wie im großen Reetdach, das sich schützend über die Menschen und das Vieh zu wölben scheint. Sommerliche Motive fängt er wunderbar empfindsam ein.

 

Wenn ich eine Landschaft nicht sehe, aber dennoch mit wohligem Gefühl weiß, dass sie da ist, dann kann es mein „Zuhause“, meine Heimat sein.

 

Der Begriff „Zuhause“ hat unter dem Eindruck der Pandemie für viele wieder eine Bedeutung erhalten. Das wird uns auch bewusst, wenn wir die Nachrichten über Kriege und Naturkatastrophen wahrnehmen, in denen Menschen ihr Zuhause verloren haben und auf der Flucht sind.

 

Weitere Künstler dieser Ausstellung sind Carl Otto Fey, Horst Janssen, Elke Krähe, Fritz Kronenberg, Hans Olde d.J., Ulrich Meggers, Julia Ehlers und Karin Dreyer.

 

Es lohnt sich also ein Blick auf unser „Zuhause“:

Eiderstedt – achtern Diek

 

Ursula und Georg Panskus 1.10.2023

Ausstellungseröffnung als Kunsterlebnis

„Norddeutsche Realisten“ und „Achtern Diek“ beeindrucken auf besondere Art

Das Kunsthaus St. Peter-Ording ist eine Anlaufadresse geworden, die immer wieder neu zu überraschen versteht.* Jetzt war es die Eröffnung der 13. gemeinsamen Ausstellung von Galerie Tobien und Kunstsammlung St. Peter-Ording.

Zu den vielen bekannten Gesichtern fand sich wieder einmal eine große Anzahl Interessierter ein. Der Kreis derer, die den Einladungen zu den Ausstellungen folgen, scheint dabei immer größer zu werden.

In der Galerie Tobien ist eine repräsentative Auswahl der Norddeutschen Realisten zu sehen. Der Kunsthistoriker Dr. Thomas Gädeke und ehem. Leiter der grafischen Sammlung Schloss Gottorf führte in diese Ausstellung ein.

Gezeigt werden Werke von Friedel Anderson, Frauke Gloyer, Meike Lipp und Ulf Petermann und 

natürlich Nikolaus Störtenbecker, dem Begründer der Künstlergruppe. Bilder von Tobias Duwe, Mathias Meinel, Hanna Petermann, Till Warwas und Corinna Weiner vertreten dazu die jüngere Generation.

Georg Panskus, der Kurator für die Kunstsammlung der Gemeinde, eröffnete im zweiten Raum hinter der stets geöffneten Doppeltür die Ausstellung „Eiderstedt - achtern Diek“.

Gezeigt werden Arbeiten von Dieter Staacken, Erich Duggen, Max Höppner, Ursula Schultz-Spenner und weiteren Künstlern der Kunstsammlung. Alle in ihr vertretenen Kunstschaffenden haben eine Beziehung zu Eiderstedt, indem sie hier leben und wirken bzw. das so gewesen ist. So ist die Sammlung angelegt bzw. entstanden. Das ist für eine Kommunalgemeinde wohl einmalig.

Wenn auch der Platz in beiden Ausstellungsräumen nicht gerade reichlich vorhanden ist, so ist die Anordnung der möglichen Stellwände und vor allem die Hängung der Bildwerke eine Augenweide. Die Bilder werden ins richtige Licht gesetzt. 

Das fällt erneut auf und wurde gerade auch von anwesenden Künstlerinnen und Künstlern wie Ursula Schultz-Spenner, Dieter Staacken und Max Höppner anerkennend zum Ausdruck gebracht. Eine solche Stimmigkeit macht Ausstellung aus und die ist im Kunsthaus St. Peter-Ording gegeben.

Georg und Ursula Panskus machen das in jahrelang geübter Teamarbeit, beginnend mit der Auswahl und Zusammenstellung der Bilder sowie deren Hängung, dazu dann der Gestaltung der Plakate mit den zugehörigen Texten. Den Vortrag macht er, der selbst mit viel Feinsinn malt und weiß, was es heißt, Kunstschaffende rechtschaffen zu würdigen. 

 

 

Bewusst haben beide für die 13. Ausstellung den Blick „achtern Diek“, vom Deich in die Eiderstedter Landschaft gewählt: „Achtern Diek is man op Eiderstedt tohuus.“ – Das ist nicht nur Wissen, das ist auch Gefühl. So rücken sie mit den Bildern „die Frage nach der Identität, die Frage nach dem, was Heimat, was Zuhause ausmacht und ausmachen kann“, in den Blick.

In seiner Rede zitiert Georg Panskus dazu den Literaten Uwe Herms (1937-2023). Dieser schreibt in seinem Buch „Im Land zwischen den Meeren“ über Eiderstedt: „Wenn ich ehrlich sein soll: Zu sehen gibt es vor meiner Haustür beinahe gar nichts.“ 

Was es aber auf Eiderstedt eben doch alles zu sehen gibt, vermitteln jetzt die Bilder der Ausstellung: Den „glotzenden Ochsen“ auf dem einen Bild von Dieter Staacken. Aber die beiden Schafe und die flache Landschaft werden dabei auch nicht vergessen! Oder die beiden „Blicke auf Wasserkoog“ von Ursula Schultz-Spenner bzw. die drei Aquarelle von Max Höppner mit der Kirche von Uelvesbüll und den beiden Reetdachhäusern von Westerhever bzw. vom Herrendeich. Und wie unterschiedlich Hein Hoop Haubarge sehen konnte, erfährt der Besucher ebenso.

Zuvor hatte Dr. Thomas Gädeke in die Ausstellung im Raum der Galerie eingeführt, ausgehend von der Entstehung der Gruppe der „Norddeutschen Realisten“ um Nikolaus Störtenbecker (1940-2022). Dieser war anlässlich des Treffens einer Gruppe von Kunststudenten um den Künstler Manfred Bluth (Berlin, 1926-2002) dazugestoßen und wurde einer der führenden Köpfe der Norddeutschen Realisten, einer losen Malervereinigung. 

Gemalt wird vor Ort. Realismus sei aber nicht als etwas „genau Abgezirkeltes“ zu sehen. „Die Künstler verwandeln das Motiv in ihre Handschrift und versehen es, ihrem Temperament gemäß, mit einem Zauber.“ So etwa formulierte es Thomas Gädeke, der die Malweise in den zeitlichen Bezug stellte, die heutigen Gegebenheiten mit dem notwendigen Blick der Achtsamkeit gegenüber der Natur zu betrachten. Die Künstler verschafften uns mit ihren Bildern eine „verdichtete Naturbegegnung“, die unser Leben als „Kraftquelle“ zu begleiten vermag.

Annemieke Heinze, Leiterin der Filiale der Galerie Tobien in St. Peter Ording, zeichnete hier mit ihrer glücklichen Hand für die Hängung verantwortlich. 

 

Bevor der Gast der beiden präsentierten Ausstellungen das Kunsthaus in der Wittendüner Geest dann verlässt, möge er doch dem Eingangsbild von Mathias Meinel noch einmal einen längeren Augenblick gönnen. Der Kreis von den „Norddeutschen Realisten“ zu „Eiderstedt – achtern Diek“ schließt sich.

Bis zum 7. April 2024 ist die 13. Kunstausstellung zu den Öffnungszeiten der Galerie Tobien im Kunsthaus SPO zu sehen.

 

* HINTERGRUND

Im Dezember 2016 war die Gemeindevertretung noch sehr vorsichtig bei ihrer Zustimmung gewesen, diese Kooperation Wirklichkeit werden zu lassen. Fast prophetisch hatte der damalige Bürgermeister Rainer Balsmeier diese Möglichkeit „als Glücksfall für St. Peter-Ording“ bezeichnet. Heute ist diese Prophezeiung offenkundige Realität. Bereits im Frühjahr 2018 konnte das Kunsthaus mit der ersten Ausstellungseröffnung starten.

Siehe unter www.jb-spo.de 

2016    Dez      Gemeindevertretung brachte alles auf den Weg

2018     April     Kunsthaus Wittendün feierlich eröffnet! - Galerie Tobien und die Kunstsammlung der Gemeinde St. Peter-Ording stellten sich vor

 

Hans Jörg Rickert, 02. Oktober 2023, jb-spo